Zwischen Vergangenheit und Gegenwart

Beinahe surreal wirkt das Aufeinandertreffen von türkisblauem Wasser, dem saftigen Grün der Küstenpflanzen und einer alten Burgruine am Strand. Davor, auf dem Ozean, bewegt sich träge eine Dhau, ein traditionelles Swahili-Segelboot. Beides sind Zeugnisse der Swahili-Kultur, auf die man entlang der ostafrikanischen Küste vom südlichen Somalia, bis Mosambik immer wieder trifft.
Rund 116 Ruinenstädte gibt es heute noch, wo man auf den Spuren der Vergangenheit wandeln kann. Zu den bekanntesten und eindrucksvollsten gehören Kilwa Kisiwani und Songo Mnara, die beide südlich von Dar-es-Salaam liegen und Gedi in Kenia. Gleichzeitig kann man auf einer Reise an der ostafrikanischen Küste tief in die äußerst lebendige Swahili-Kultur eintauchen, durch Gespräche mit den Einheimischen oder dem Probieren von lokalen Spezialitäten.

Ein Blick in die Vergangenheit

Obwohl die Sprache Kiswahili in Tansania, Uganda und Kenia gesprochen wird, beschränkt sich die Kultur auf die Küstenregion und die vorgelagerten Inseln. Dort ist sowohl das soziale und religiöse Leben als auch Kunsthandwerk, Architektur und das Essen durchzogen von die Swahili-Einflüssen. Aber wo nahm dies ihren Ursprung?
Ihre Wurzeln hat die Swahili-Kultur in Ostafrika. Geprägt wurde sie vor allem durch asiatische, arabische und portugiesische Händler, die an der ostafrikanischen Küste an Land gingen, um ihre Waren zu vertreiben. Als sich die Küstenregion zunehmend zu einem Knotenpunkt für den Handel entwickelte, ließen sich unterschiedliche afrikanische Bevölkerungsgruppen an der Küste nieder. Durch das gute Geschäft, das sie als Zwischenhändler machten, wuchs der Wohlstand und städtische Strukturen konnten entstehen. Die Städte waren dadurch sehr kosmopolitisch und doch unabhängig voneinander. Es kam nie zur Bildung eines Staates. Was sie stets verband war allerdings die Sprache und Kultur und über den Seeweg war es für die Swahili leicht, miteinander im Austausch zu stehen und auch untereinander Handel zu treiben.
Ausgrabungen in der heutigen Ruinenstadt von Gedi haben unter anderem Ming-Vasen aus China, Steingut aus dem Iran und Stahllampen aus Indien zu Tage befördert. Diese Fundstücke geben Aufschluss über die vielfältigen Handelsbeziehungen der Swahili-Städte.
Durch die Vielzahl der unterschiedlichen Menschen, kam auch der Islam an die ostafrikanische Küste, der bis heute ein Herzstück der Kultur ist. Es gibt viele religiöse Feiertage, die den Alltag mitbestimmen. So wird im Fastenmonat Ramadan das alltägliche Leben heruntergefahren und umgekehrt der Geburtstag des Propheten Mohammed groß gefeiert.

Überbleibsel der eindrucksvollen Swahili-Architektur

Entlang der ostafrikanischen Küste und den vorgelagerten Inseln finden sich zahlreiche Bauwerke, die ein historisches Erbe der Blütezeit der Swahili darstellen. Deutlich wird dies nicht nur in den Altstadtgassen von Stone Town oder Bagamoyo, sondern auch in einer der Ruinenstädten, die wir Ihnen im Folgenden mit Kilwa Kisiwani, Songo Mnara und Gedi exemplarisch vorstellen möchten.
Die klassischen Swahili-Häuser sind heute noch in den Altstädten vertreten und weisen typische Charaktermerkmale wie die Barazas und Swahili-Türen auf. Barazas sind Sitzecken, die um den Eingangsbereich der Häuser angelegt sind. Sie werden rege genutzt, um sich auszutauschen und Bekanntschaften zu pflegen. Die Türen hingegen sind oftmals durch aufwendige Schnitzereien reich verziert und geben Aufschluss über die ehemaligen Hausbesitzer, die diese um das 18. und 19. Jahrhundert anfertigen ließen.
Nicht weniger beeindruckend sind die bereits erwähnten Ruinenstädte von Kilwa Kisiwani, Songo Mnara und Gedi. Was ihnen gemein ist, sind ihre beeindruckenden Bauwerke, die Zeugnis ablegen über die eindrucksvolle Vergangenheit ihrer Bewohner.
Viele der Gebäude sind aus Korallenkalk hergestellt, ein beliebtes Baumittel der Blütezeit der Swahili-Städte zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert. Beinahe verwunschen muten die Ruinen der Moscheen, Paläste und Festungen an. Während die Natur sich nach und nach die Gebäude zurückerobert, können Touristen immer noch durch die Gerippe der Bauwerke streifen. Nicht ohne Grund sind alle drei Swahili-Ruinenstädte heute UNESCO-Weltkulturerbe.

Endemische Arten im Arabuko-Sokoke-Nationalpark

Gedi liegt dabei malerisch im Arabuko-Sokoke-Nationalpark, der zwar nur sechs Quadratkilometer groß ist aber gleichzeitig eine Vielzahl von endemischen Tieren und Pflanzen beheimatet. So kommt der Golandweber nur dort vor, genau wie das Goldene Rüsselhündchen.
Das Aufeinandertreffen der verfallenen Mauern, Durchgänge und Kuppel im Gegensatz zur üppigen Flora und Fauna, bildet einen beeindruckenden Kontrast. Besondere Motive bilden dabei unter anderem die Überbleibsel der großen Moschee und des Palastes von Kilwa Kisiwani, die im 14. Jahrhundert durch Sultan al-Hasan ibn Sulaiman erbaut wurden. Wenn die kräftige ostafrikanische Sonne durch die Öffnungen im Dach scheint, entsteht ein faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten.
Die Ruinenstädte entlang der Ostküste sind absolut sehenswert, um in die reiche Vergangenheit der Swahili-Kultur einzutauchen. Wie lebendig sie nach wie vor ist, erfährt man umgekehrt spätestens bei einem Bummel durch die Gassen von Stone Town oder Bagamoyo.

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Hauptbild: David Heidler