Stimme der Weisheit
Die Sonne geht langsam unter. Am Forodhani-Garten, direkt am Hafenbecken von Sansibar Stadt, wird geschäftig der tägliche Food-Market aufgebaut. An verschiedenen Ständen gibt es Leckereien von frischem Fisch, Hühnchenspieße und Sansibar Pizza bis hin zu Zuckerrohrsaft. An der Hafenmauer springen die Jugendlichen als Mutprobe mit den wildesten Saltos ins Wasser. Es ist Zeit für das Abendgebet, und die Muezzins von hunderten Moscheen stimmen gemeinsam in eine Art ungeplanten Kanon ein. Nachdem die letzten Rufe von den Minaretten verstummt sind, hört man wieder ein ganz anderes Geräusch. Aus dem alten Fort auf der anderen Straßenseite wummern Bässe und erklingen einmalige Melodien.
Wie jedes Jahr im Februar findet in den Gemäuern des arabischen Forts das „Sauti za Busara“-Festival statt: Afrikanische Musik unter afrikanischem Himmel. Das Musikfestival wird seit 20 Jahren jährlich organisiert und gilt mittlerweile als eines der größten und bekanntesten afrikanischen Musikfeste. Hier wird die Musik des Kontinents gefeiert. Zwischen traditionellen westafrikanischen Klängen, modernem Bongo Flava, Sansibari Taraab und südafrikanischem Kwaito finden sich auch immer wieder ganz spezielle Künstler, die sich kaum einordnen lassen.
Ich war 2010 das erste Mal auf dem „Sauti“, wie die meisten das Festival abkürzen. In jenem Frühjahr war das Untersee-Stromkabel nach Unguja, der Hauptinsel des Sansibar-Archipelagos, beschädigt. Strom wurde auf der Insel ausschließlich durch Generatoren und Solar erzeugt – kalte Getränke waren am Straßenrand eine Seltenheit. Und ohne genau zu wissen, was mich erwartete, habe ich mit meinen Freunden Tickets für das „Sauti za Busara“ gekauft. Am Nachmittag hatte der Innenhof des Forts Volksfestcharakter – es gab Musik und dazu viele Stände mit Essen, Trinken und Kunsthandwerk. Man saß einfach zusammen, hörte der Musik zu und genoss die warme Sonne Ostafrikas.
Am Abend kannte ich kaum einen der Künstler, doch ich ließ mich treiben. Plötzlich trat Mim Suleiman mit Band auf die Bühne. Eine Sängerin aus Sansibar, die mittlerweile nach England ausgewandert war und eine Art Elektro-Dance-Taraab aufführte. So etwas hatte ich nicht erwartet, doch der Beat riss mich sofort mit. Noch heute ist ihr Song Nyuli in meinen Playlists vertreten. Ein anderer Musiker, von dem ich in einer der Nächte Fan wurde, ist Mzungu Kichaa. Espen Sørensen ist in Dänemark geboren und in Tansania aufgewachsen und ist seit Ende der 90er Jahre im Bongo Flava aktiv. Sein Künstlername bedeutet frei übersetzt „Verrückter weißer Mann“ – und so ist er bis heute wahrscheinlich der einzige erfolgreiche weiße Bongo Flava Musiker.
Neben Mim Suleiman traten über die Jahrzehnte Musiker aus fast allen Ecken des Kontinents auf. Jedes Jahr wird eine Mischung der verschiedenen Regionen Afrikas sowie der verschiedenen Musikstile vollzogen. Die Stimmung auf dem Festival ist einzigartig! Durch die örtlichen Gegebenheiten ist der Platz beschränkt – mehr als 6.000 Besucher an einem Tag sind, nicht möglich. Etwa die Hälfte der Besucher sind Tansanier und die andere Hälfte kommt aus der ganzen Welt. Hier lebt der kosmopolitische Geist und alle Menschen tanzen zusammen und genießen die warmen Nächte Sansibars.
Gerade auf Sansibar ist die Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch ein großes Thema. Umso schöner ist es zu sehen, dass 2023 bereits 40 % aller auftretenden Musikgruppen von Frauen geleitet wurden und 37 % aller Mitarbeiter des Festivals weiblich sind. Hier nimmt das „Sauti za Busara“ auch international eine Vorreiterrolle an.
Neben der herausragenden Musik Afrikas ist das Festival natürlich auch ein perfekter Ausgangspunkt für die Erkundung der legendären Gewürzinsel. In direkter Nachbarschaft des „Sauti“ befindet sich das UNESCO-Weltkulturerbe Stone Town. Die arabische Medina hat ein ganz eigenes Flair. Man kann sich in den alten verwinkelten Gassen hervorragend verlaufen.
Wussten Sie, dass die Insel Geburtsort eines der wohl bekanntesten Musiker der Erde ist? Farrokh Bulsara wurde 1946 in Stone Town geboren und eroberte die Welt Jahre später als Freddie Mercury.
Gegenüber von Stone Town befindet sich die Insel Changuu, auch bekannt als Prison Island. Nach einer durchtanzten Nacht kann man mit dem Boot übersetzen und wunderbar schnorcheln. Auf der Insel, die einst als Gefängnisinsel und später als Quarantänestation für Gelbfieber genutzt wurde, leben heute zahlreiche Aldabra-Riesenschildkröten.
Doch die meisten besuchen Sansibar wegen seiner zahlreichen traumhaften Strände. Ob an den weiten Sandstränden von Jambiani im Osten der Insel, im Fischerort Nungwi an der Nordspitze der Insel oder an den Partystränden von Paje oder Kendwa – hier ist für jeden etwas dabei. Genießen Sie das türkisblaue Wasser und frisch gefangenen Fisch. Sansibar ist nicht ohne Grund für viele eine absolute Traumdestination.
Ganz egal, ob Sie im Februar zum „Sauti za Busara“ reisen oder einfach nur am Strand liegen wollen – die Gewürzinsel Sansibar lässt sich bestens mit einer Safari auf dem tansanischen Festland kombinieren.
Musikstile
Bongo Flava ist ein tansanischer Musikstil, der in den 1990er Jahren entstand. Er vermischt traditionelle tansanische Musik mit Einflüssen aus Hip-Hop, R&B, Reggae und Dancehall. Die Texte sind oft auf Swahili und thematisieren soziale und politische Themen, sowie die Liebe, was Bongo Flava zu einem Spiegel der zeitgenössischen tansanischen Kultur macht.
Taraab ist ein ostafrikanischer Musikstil, der seine Wurzeln in den Küstenregionen von Tansania und Kenia hat, insbesondere in Sansibar. Er entstand im 19. Jahrhundert durch die Verschmelzung arabischer, indischer und afrikanischer Musiktraditionen. Taraab zeichnet sich durch seine melodischen Klänge, schwungvolle Rhythmen und poetischen Swahili-Texte aus, die oft von emotionalen Gesängen begleitet werden.
Kwaito ist ein Musikgenre, das in den frühen 1990er Jahren in Südafrika entstand, als das Land die Apartheid hinter sich ließ. Es kombiniert House-Musik-Beats mit langsameren Tempi und fügt lokale afrikanische Sounds und Sprachen hinzu. Kwaito ist mehr als Musik; es ist ein Ausdruck der Post-Apartheid-Generation, der soziale und politische Themen aufgreift und gleichzeitig eine Feier des südafrikanischen Lebens und der Kultur darstellt.
Afrobeat ist ein energiegeladener Musikstil, der in den 1960er Jahren in Nigeria durch Fela Kuti geprägt wurde. Er vereint traditionelle nigerianische Musik, Jazz, Highlife, Funk und Yoruba-Rhythmen zu einem einzigartigen Sound. Afrobeat ist bekannt für seine komplexen Rhythmen, Bläsersätze und politisch aufgeladenen Texte, die soziale Missstände anprangern.
- von David Heidler
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