Nairobis Start-up-Szene sorgt für weltweites Aufsehen
Mehrmals im Monat finden in der kenianischen Metropole Networking-Events der rasant wachsenden Szene statt. Die Veranstaltungskalender sind prall gefüllt. In den angesagten und modernen Rooftop-Bars, mit Blick auf die Skyline der Hauptstadt, treffen sich junge Kreative und erfolgreiche Unternehmer. Bei einem kühlen Erfrischungsgetränk wird sich über die neuesten Trends und Errungenschaften ausgetauscht und vernetzt. Durch die voranschreitende Digitalisierung in vielen verschiedenen Lebensbereichen konnte Nairobi in den letzten 15 Jahren die Gelegenheit beim Schopfe packen und hat sich durch Innovationen und mit mutigem Unternehmertum den Beinamen Silicon Savannah erarbeitet. In Sachen Start-up-Gründungen und -Erfolgen nimmt es mittlerweile eine Vorreiterrolle für den gesamten afrikanischen Kontinent ein.

Digitalisierung als Motor für Kenias wirtschaftlichen Aufschwung
Triebfeder dieser Entwicklungen in den letzten Jahren ist die rasante Ausbreitung der Mobilfunkabdeckung in Kenia. Durch den flächendeckenden Zugang zu Internet und Mobilfunk, vor allem im urbanen Raum, wird immer mehr Wissen produziert und verbraucht, was eine gewaltige Chance für die Region bedeutet. Die Digitalisierung gilt als der große Hoffnungsträger für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Kenia. Diese Hoffnungen wurden durch die Gründung zahlreicher, erfolgreicher Start-ups genährt.

M-Pesa: Revolution des Zahlungsverkehrs in Ostafrika
Eine der bekanntesten Innovationen, die mittlerweile eine wichtige Rolle im Alltag vieler Millionen Menschen, vor allem in Ostafrika, spielt, ist M-Pesa. M-Pesa wurde vom kenianischen Mobilfunk-Unternehmen Safaricom in Zusammenarbeit mit Vodafon entwickelt und Anfang 2007 auf den Markt gebracht. Es ist ein über das Mobiltelefon oder Smartphone zu bedienendes Mobile-Money-System für die Abwicklung von Geldtransfers ohne klassische Banknutzung oder Bargeld. Mit einem M-Pesa-Konto kann man Geld auf seinem Telefon speichern, senden und empfangen. Das System ist so erfolgreich wegen seiner Benutzerfreundlichkeit und dem einfachen Zugang über Mobiltelefone. Während es in Kenia nur rund 2000 Bankfilialen gibt, gibt es bereits über 1,2 Millionen M-Pesa-Agenten, die beinahe in jeder Ortschaft des Landes zu finden sind. Dadurch wird mittlerweile über ein Drittel des gesamten Bruttosozialprodukts Kenias mit dem Bezahlsystem transferiert. Tendenz steigend. Das System wird stetig weiterentwickelt und derzeit auch in Tansania, der Demokratischen Republik Kongo, in Ägypten, Indien und sogar in Albanien oder auf den Fidschi-Insel genutzt.

MedTech made in Kenya: Gesundheit durch Innovation
Auch das kenianische Gesundheitssystem profitiert enorm von den neuen Möglichkeiten und Innovationen aus Nairobis Denkwerkstatt. Durch den Einsatz von 3D-Druckern und CNC-Maschinen hat Kenia eine beispiellose Entwicklung in der Produktion von medizinischen Geräten gemacht und muss nicht mehr, wie so häufig in der Vergangenheit, auf den Ersatz aus nicht-afrikanischen Staaten warten. Das Hardware-Start-up Gearbox stellt unter anderem Mikroskope, digitale Fetoskope und Saugmaschinen für Neugeborene her und arbeitet dabei eng mit der Universität Nairobi und dem Kenyatta National Hospital zusammen. Die meisten dieser Geräte sind nur im urbanen Raum verfügbar. Hier setzt das Start-up Leap health an. Leap health ist zuallererst eine digitale Lern-Community und ein Empowerment-Werkzeug für Gesundheitshelfer. Über 3000 sogenannter Community Health Worker (CHWs) arbeiten für Leap health. Die CHWs sind in ruralen und abgelegenen Orten als verlängerte Arme von Ärzten tätig und bringen medizinische Versorgung dorthin, wo sie sonst nicht ankommt. Mit dem verknüpften Online-Lernprogram HELP lernen sie die Grundlagen der Gesundheitsversorgung und sind im permanenten Austausch mit Fachpersonal. Fragen werden per SMS beantwortet und wichtige Termine für Untersuchungen und Sprechstunden versendet.

Digitale Lösungen für Kleinbauern: Landwirtschaft im Wandel
Agrargüter sind eines der wichtigsten Exportgüter Kenias. Rund acht Millionen Menschen sind als Kleinbauern aktiv. Davon sind wiederrum rund 70 % Frauen. Ein Großteil dieser Landwirte hat keinen Zugang zu fairen und transparenten Preisen auf dem Weltmarkt. Aber viele innovative Ideen von Start-ups Made in Kenya sorgen gerade mit Erfolg dafür das Leben der vielen Millionen Kleinbauern positiv zu verändern und die Bedingungen in der Wertschöpfungskette zu verbessern.
Eines dieser aufstrebenden Start-ups ist Farmshine. Farmshine ist eine globale Agrarplattform, auf der Bauern, Käufer und Dienstleister zu gegenseitig vorteilhaften Bedingungen handeln können. Die mobile App versucht die Kleinbauern mit den benötigten Informationen, Lieferanten und Dienstleistern zu verknüpfen, um Kosten zu minimieren und die Ernten zu maximieren. Zusätzlich zur App arbeiten sogenannte Außendienstmitarbeiter für Farmshine. Diese geschulten Mitarbeiter unterstützen die Kleinbauern beratend während der gesamten Erntezeit und helfen bei der Vorbereitung für den Verkauf an Großabnehmer. Außerdem wird durch den Außendienst sichergestellt, dass die Landwirte klare, faire und zuverlässige Verträge von legitimen Käufern angeboten bekommen. Das Besondere am System der App: Es erfasst Menge, Qualität und Pünktlichkeit jeder verkauften Ernte sowie Kreditrückzahlungen, erhaltene Schulungen und andere Hinweise auf einen erfolgreichen, zuverlässigen Kleinbauern. Auf dieser Grundlage können die Betroffenen Kleinkredite beantragen, Betriebsmittel auf Kredit kaufen und Zugang zu profitableren Wachstumschancen erhalten. Behilflich beim Erreichen der Ziele des Unternehmens sind auch internationale Investoren. Im Jahr 2019 erhielt Farmshine unter anderem 250.000 $ Finanzmittel vom US-amerikanischen Investor Gray Matters Capital.

Eneza Education: Bildung per SMS und App
Eine genauso wichtige Rolle wie die bisher erwähnten Sektoren spielt bei der staatlichen Entwicklung auch der Bildungssektor. Kenia verfügt bereits über ein gutes Bildungssystem, doch es herrscht noch immer ein auffälliges Stadt-Land-Gefälle. Die bisher größte Erfolgsstory in diesem Bereich ist die Lernplattform Eneza Education. Sie bietet Bildungskurse auf Schulebene über SMS oder USSD für Mobilfunknutzer in verschiedenen afrikanischen Ländern an. Schüler erhalten Quizfragen und Tutorials, können Wikipedia durchsuchen, sich Berichte anzeigen lassen und im Abonnement Fragen an Live-Lehrer per SMS stellen. Das zur Verfügung gestellte Material und Training orientiert sich am Lehrplan für Grundschulen und weiterführende Schulen des jeweiligen Partnerlandes. Es bietet auch eine Web- und eine mobile App für den Zugriff auf den Kurs an. Mittlerweile wurde die Plattform inklusive App von über 10 Millionen Schülern genutzt. Knapp 25 % konnten ihre Lernergebnisse durch die Nutzung der App über einen längeren Zeitraum verbessern. Momentan operiert Eneza in Kenia, Ghana, Ruanda und der Elfenbeinküste. Ambitioniertes Ziel des Unternehmens ist 50 Millionen Menschen in Afrika beim Lernen erfolgreich zu unterstützen.

Silicon Savannah: Kenias Innovationskraft prägt Afrikas Zukunft
Bedingt durch die rasch voranschreitende Digitalisierung in beinahe allen Lebensbereichen steht Kenia vor einem großen sozialen und wirtschaftlichen Wandel, der mit den Innovationen aus dem Silicon Savannah positiv gestaltet werden kann. Die jungen Kreativen, die sich über den Dächern Nairobis regelmäßig austauschen und vernetzen, werden bei diesem Prozess des Wandels mit ihren Ideen Made in Kenya eine immer größere Rolle spielen. Auch in anderen Metropolen Afrikas, in Kigali, Accra oder Lagos, treffen sich junge Unternehmer, Erfinder, Politiker und Investoren, um Lösungen und Innovationen zu entwickeln, die den Kontinent voller Visionen in eine kraftvolle und unabhängige Zukunft führen können. Zur länderübergreifenden Vernetzung gibt es bereits zahlreiche Konferenzen zu Digitalisierung und Technologie wie zum Beispiel die jährliche Digital Africa Conference in Nigerias Hauptstadt Abuja.

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Titelbild: Banjo Emerson Mathew