„Ein friedlicher, spiritueller Lebensweg“
Der Glaube wird in Benin und Togo von vielen Menschen praktiziert
Häufig wird Voodoo klischeehaft mit „schwarzer Magie“ oder Spielfilmen wie „Indiana Jones“ in Verbindung gebracht. Doch hinter der westafrikanischen Religion steckt eine Jahrhunderte alte, reiche und einzigartige Kultur, die es zu entdecken gilt. Beninesen und Togoer setzen sich durch Tourismus aktiv für ein verbessertes Bild ihrer gelebten Glaubensrichtung ein. Für unser großes Voodoo-Feature haben wir uns mit zwei Reiseleitern aus Benin und dem Togo zum Interview verabredet, um unseren Lesern aus erster Hand und ohne Stereotype über Voodoo berichten zu können. Außerdem stellen wir euch interessante und authentische touristische Voodoo-Highlights vor.
Unsere Interviewpartner
Boris Medatinsa (1983): Wohnt in Ouidah, Benin. Ausgebildeter Reiseveranstalter.
„Ich spreche nicht als Reiseveranstalter über Voodoo, sondern als gläubiger Voodoo-Anhänger.“
Isaac Aziawo (1982): Wohnt in Davedi, Togo. Ausgebildeter Reiseveranstalter und Betreiber einer Eco-Lodge.
„Mein Vater war Voodoo-Priester. Ich wurde aber katholisch erzogen. Ich praktiziere manchmal Voodoo, da es in meinem Dorf zur Kultur und Tradition gehört, bin aber kein richtiger Anhänger der Religion.“
Auf ein klischeefreies Gespräch über Vodoo
Was bedeutet der Begriff „Voodoo“, wenn man diesen übersetzt?
Medatinsa: In Benin sagen wir, dass Voodoo take your time heißt. Voodoo ist ein spiritueller, friedlicher Lebensweg. Wir lehnen Gewalt strikt ab. Im Namen des Voodoos wurde nie Krieg geführt.
Aziawo: Ja, take your time und enjoy yourself. Die Natur spielt eine wichtige Rolle im Voodoo. Vor allem die vier Elemente: Wasser, Feuer, Erde und Wind.
Medatinsa: Es gibt eine sichtbare Welt, die der Menschen und eine unsichtbare Welt, in der Energien, Götter, unsere Vorfahren und das Universum als Ganzes sind. Alles ist miteinander verbunden. In der heutigen Welt geht es nur noch um Konsum, wer hat das größere Haus, wer hat das größere Auto. Voodoo hilft uns dabei die Erdung zu behalten und unsere Wurzeln und Vorfahren nicht aus den Augen zu verlieren. Die Wälder und die Natur sind unser Wareshaus, diese Warenhäuser gilt es zu schützen. Es muss ein Gleichgewicht herrschen.
Welche Bedeutung hat Voodoo im alltäglichen Leben der Beninesen und Togoer?
Aziawo: Voodoo ist ein Teil der Kultur Togos. In vielen Orten gibt es Tempel und Schreine. Ich schätze, dass 15 % der Bevölkerung Voodoo-Anhänger sind. Aber noch viel mehr Menschen, auch Christen und Muslime, benutzen Voodoo-Praktiken in ihrem Alltag, da es eine Tradition und ein Kulturgut ist.
Medatinsa: In Benin ist Voodoo unsere Kultur, unsere Identität und unsere DNA. Es gehört zum alltäglichen Leben dazu. Jedes Land, jede Region dieser Welt hat eine eigene Kultur. Aber keine Kultur ist der anderen Kultur überlegen oder besser als die andere Kultur. Aber seine eigene Identität zu bewahren ist wichtig.
Aziawo: Insgesamt nimmt die Bedeutung des Voodoos gerade bei jungen Leuten ab, die sich wie überall auf der Welt beim Aufwachsen für andere Sachen interessieren. Im Vergleich zum Christentum oder Islam missioniert Voodoo auch nicht und hat so im Wettbewerb der Religionen ein Nachsehen.
Viele Menschen aus Europa verbinden Voodoo mit „schwarzer Magie“. Was würden Sie diesen Menschen entgegnen?
Medatinsa: Voodoo hat überhaupt nichts mit „schwarzer Magie“ zu tun. Natürlich kann Voodoo von einzelnen Personen missbraucht werden, aber das können das Christentum und der Islam auch.
Aziawo: Ich mag den Begriff „schwarze Magie“ nicht. Das gleiche gilt für die Begriffe „Stamm“ und „animistische Religion“. Das sind abwertende Fremdbezeichnungen aus der Kolonialzeit, die leider bis heute verwendet werden, wenn man über Afrika spricht. Voodoo ist eine normale Religion. Genauso wie das Christentum auch.
Im Voodoo gibt es kein geschriebenes Buch, wie die Bibel. Wer trägt das Wissen an die nächsten Generationen weiter?
Medatinsa: Voodoo ist eine Jahrhunderte alte Tradition, eine Kultur und ein Glaube. Das Wissen darüber wird in jeder Region, in jeder Gemeinschaft anders vermittelt. Es wird von Priester zu Priester, von Familie zu Familie und Gemeinschaft zu Gemeinschaft weitergegeben.
Aziawo: Es wird nach dem Prinzip learning by doing an die nächsten Generationen weitergetragen. In der Regel können nur Nachkommen aus einer Priesterfamilie auch Priester werden. Vereinzelt gibt es natürlich Ausnahmen.
Wie heißen die wichtigsten Voodoo-Gottheiten?
Aziawo: Mahu gilt als wichtigste Gottheit. Mahu ist eine Energie im Universum, die über allem anderen steht. In jedem Ort und jeder Gemeinschaft gibt es aber eine Vielzahl an anderen Göttern. Mit Hilfe eines Priesters kann man einen Schrein für seine eigene Gottheit errichten.
Medatinsa: Mahu ist der oberste Gott. Der Architekt des Universums. In jeder Gesellschaft gibt es verschiedene Berufe, um verschiedene Probleme zu lösen. Deswegen gibt es auch viele verschiedene Götter im Voodoo-Glauben.
Touristische Voodoo-Highlights
Ouidah, Benin - Vom Zentrum des Sklavenhandels zur Voodoo-Hauptstadt
Am Golf von Guinea gelegen war Ouidah, Boris Medatinsas Heimatstadt, als vormals einziger Hafen Benins, ein Zentrum des transatlantischen Sklavenhandels. Als Erinnerungskultur für dieses dunkle Kapitel dient eine Route quer durch den Ort bis hin zum „Porte du Non Retour“, dem Tor ohne Rückkehr, das sich direkt am weißen Sandstrand Ouidahs befindet. Schätzungsweise drei Millionen Menschen wurden von hier in die „Neue Welt“ verschifft. Dadurch leben viele der über 60 Millionen praktizierenden Voodoo-Anhänger nicht nur in Westafrika, sondern auch auf dem amerikanischen Kontinent.
Heutzutage wird jährlich am 10. Januar in den Straßen und am Strand von Ouidah das lebhafte, laute und farbenfrohe Fete du Vodoun zelebriert. Voodoo ist in Benin eine offiziell anerkannte Staatsreligion und wird schätzungsweise von mehr als der Hälfte der Bevölkerung gelebt und praktiziert. Rund 10.000 Touristen aus aller Welt bestaunen jedes Jahr während des Festivals Opferungen von Hühnern und Ziegen, sich hingebende Tänzer in Trance und eine anschließende Party mit viel Gin. Hautnah erlebt man hier den echten Voodoo fern von jeglichen Klischees. Während des 10. Januars gibt es im südlichen Benin noch eine Vielzahl an weiteren authentischen Veranstaltungen u.a. in Grand Popo.
Im Foret Sacree de Kpasse, der sich in Ouidahs Stadtzentrum befindet und von hochgewachsenen mit Flughunden besetzten Bäumen umgeben ist, können individuell gestaltete Statuen von lokalen Voodoo-Gottheiten und eine Vielzahl von heiligen Opferstätten betrachtet werden. Einer Legende nach verwandelte sich König Kpassé vor seinem Tod in einen Baum, der sich hier im „Heiligen Wald“ befindet.
Schlangen gehören zu den wichtigsten Voodoo-Gottheiten und stehen für Frieden, Wohlstand und Weisheit. „Die Tötung einer Schlange bringt großes Unglück, weil Schlangen ein bedeutendes Symbol in der Voodoo-Lehre sind“, fügt Medatinsa bei. Der Temples des Pythons ist Heimat für rund 50 Pythons, die einmal monatlich zum Fressen auf die Straße gelassen werden und eigenständig ihren Weg zurückfinden.
Davedi, Togo – Zu Besuch im Dorf der Zwillinge
Das Dorf Davedi liegt etwa 60 Kilometer nordöstlich von Togos Hauptstadt Lomé und wird von rund 2000 Menschen bewohnt. Die meisten gehören der Bevölkerungsgruppe der Ewe an. „In der Kultur der Ewe gelten Zwillinge als heilig und haben eine spirituelle Energie“, so Isaac Aziawo, der in Davedi lebt und arbeitet. Deshalb sorge die schlechte Behandlung eines Zwillings für Unglück in der Gemeinschaft.
Sobald ein Zwilling stirbt, wird der verstorbene Zwilling durch eine hölzerne Puppe ersetzt. Diese Puppe wird von einem lokalen Voodoo-Fetischpriester behandelt und so soll die Seele des Toten auf die Puppe übergehen. Diese Puppe wird dann von einem nahen Verwandten aufgenommen und wie ein vollwertiges Familienmitglied behandelt. Sie wird gewaschen, geschminkt und symbolisch gefüttert. „Es gibt hölzerne Puppen in meinem Dorf, die mehr als 60 Jahre alt sind“, ergänzt Aziawo.
Aziawo betreibt vor Ort die charmante Pineapple Village Lodge, die Interessierten einen authentischen Einblick in die lokale Voodoo-Kultur und das Dorfleben gibt und mit sanftem Ökotourismus zur Entwicklung der Ortschaft beiträgt.
Akodédsséwa, Togo – Der größte Voodoo-Markt der Welt
Der für manch einen vielleicht kurios anmutende Marché des féticheurs liegt in einem Vorort der togolesischen Hauptstadt Lomé und gilt als größter Voodoo-Markt der Welt. Hier wird vor allem mit Körperteilen von Tieren gehandelt. Ob Schädel von Primaten oder Antilopen, von Fledermäusen bis hin zu Elefantenfüßen wird hier alles angeboten und verkauft. Es finden zahlreiche Zeremonie im Umkreis des Marktes statt und viele Hilfesuchende kommen aus ganz Westafrika, um hier eine Lösung für ihr Problem zu finden. Der Markt wird auch immer beliebter bei Touristen und verändert sein Erscheinungsbild auch durch den verstärkten Artenschutz in der Region langsam.
- Interviews von Timo Eylers
Haben Sie Lust bekommen Voodoo einmal hautnah zu erleben?
Dann informieren Sie sich auf unserer Website www.akwaba-afrika.de über die aktuellen Reisemöglichkeiten. Wir beraten Sie gerne und stellen Ihnen eine unvergessliche Traumreise zusammen!
Titelbild: Cindy Noordermeer-Panou / Jolinaiko Eco Tours
