Die Große Migration der Tiere Afrikas
Migration ist die wichtigste Überlebensstrategie für Tiere. Sei es, um Nahrung zu suchen, sich fortzupflanzen oder ein neues Zuhause zu finden. Ausgelöst durch den Wandel der Jahreszeiten begeben sich rund um den Globus Milliarden von Tieren ständig auf Wanderung – oftmals verbunden mit einem erheblichen Risiko.
Folgen Sie Afrikas Wildtieren entlang der Jahreszeiten durch die endlosen Savannen und Wüstenmeere, und lassen Sie sich von der Gewalt der Natur mitreißen.
Die Gnu-Wanderung in Wandel der Jahreszeiten
In den weiten Ebenen Ostafrikas spielt sich jedes Jahr ein atemberaubendes Naturschauspiel ab, das die Aufmerksamkeit von Naturfreunden und Forschern gleichermaßen auf sich zieht: die große Gnu-Migration. Die Herden folgen das ganze Jahr über den Regenfällen und dem frischen Gras und befinden sich daher in einem ständigen Kreislauf zwischen Tansania und Kenia.
Das Jahr beginnt mit der Geburt zahlreicher Gnu-Kälber, die in den Ebenen der südlichen Serengeti und dem Ngorongoro-Krater genügend Nahrung finden. Innerhalb von drei Wochen bringen die Gnu-Weibchen über 250.000 Kälber zur Welt. Dieses Naturphänomen ist für Fotografen und Tierliebhaber ein absoluter Höhepunkt – gleichzeitig aber auch ein Festessen für die Raubkatzen. Die Jungtiere müssen daher von Beginn an mit der Herde Schritt halten, um nicht afrikanischen Wildhunden oder anderen Raubtieren zum Opfer zu fallen. Schon im Alter von wenigen Monaten begeben sie sich auf die lange und gefährliche Reise in den Norden.
Mit Ende der Regenzeit im Mai beginnt die Wanderung der Tiere in Richtung Kenia. Gnus versammeln sich in immer größer werdenden Kolonnen, die den Horizont zu verschlucken scheinen. Zu den Kuhantilopen gesellen sich auch etwa 500.000 Gazellen und fast genauso viele Zebras – über zwei Millionen Tiere sind es irgendwann. Zusammen bilden sie die größte Landwanderung von Säugetieren der Erde! Jeden Tag frisst die Herde beinahe 500.000 Tonnen Gras und muss daher ständig in Bewegung bleiben. Das Schnauben der Tiere und das Stampfen ihrer Hufe lässt die Erde erbeben und bildet nicht nur ein beeindruckendes Schauspiel für die Augen, sondern auch eine akustische Symphonie.
Auf ihrem Weg in die Massai-Mara müssen die Gnus die endlosen Weiten der Serengeti durchqueren und werden dort bereits sehnsüchtig von den, hervorragend im hohen Gras getarnten Löwen erwartet. Anders als die Pflanzenfresser, bleiben die Raubkatzen ihren Territorien treu. Allerdings haben sie daher auch seit Monaten kaum etwas gefressen und werden sie jede Gelegenheit zur Jagd nutzen, bevor die Herde weiter nach Norden zieht. Dadurch entwickelt sich ein ständiger Kampf zwischen Karnivoren und Pflanzenfressern, welcher zugleich das ökologische Gleichgewicht der Serengeti prägt.
Schließlich erreichen die Tiere nach einem Marsch von beinahe tausend Kilometern den Rand der Massai-Mara und das größte Hindernis auf ihrer Reise: den Mara-Fluss. Die Überquerung des Stroms ist zweifellos einer der dramatischsten Höhepunkte ihrer Wanderung. Die Gnus stehen vor einem schier unüberwindbaren Hindernis – einem reißenden Fluss, der von gefräßigen Krokodilen bewohnt wird. Etwa 6.000 Tiere fallen den Fluten jedes Jahr zum Opfer. Die Luft ist erfüllt von aufgeregtem Trompeten und Brüllen der Tiere, während sie am Ufer stehen und keines den ersten Sprung wagen will. Von hinten kommen allerdings stetig mehr Gnus und Zebras nach und vorne wird es eng. Sobald sich das erste Tier ein Herz gefasst hat, gibt es schließlich kein Halten mehr. Nacheinander stürzen sie sich in die Fluten und schwimmen um ihr Leben. Die vier Meter langen Nilkrokodile, die größten Afrikas, haben womöglich das ganze Jahr lang nichts gefressen und erwarten ausgehungert das Buffet. Auf der anderen Seite, am rettenden Ufer angekommen, hat die Herde ihr Ziel schließlich erreicht: die Massai-Mara. Hier verbringen die Gnus und ihre Gefährten die restlichen Sommermonate, ehe sie im November mit der kurzen Regenzeit entlang der östlichen Grenzen der Naturschutzgebiete nach Tansania zurückkehren.
Die Große Gnu-Migration in Ostafrika ist nicht nur ein visuelles Spektakel, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des ökologischen Gleichgewichts in der Region. Sie zeigt uns die faszinierende Dynamik der Natur und lehrt uns, wie Tiere in einer sich ständig verändernden Umwelt überleben können. Die Bewegungsfreiheit der Tiere weiterhin zu gewährleisten ist somit essenziell, damit dieses einzigartige Ökosystem gesund bleiben kann. So wurden beispielsweise die Grenzen der Schutzgebiete an die Wanderbewegungen der Gnus angepasst, um menschengemachte Hindernisse zu vermeiden.
Die majestätische Zebra-Wanderung in Botswana
Während der Kontinent weltweit für die Migration der Gnus in Ostafrika berühmt ist, so spielt sich ein genauso spektakuläres Ereignis im Herzen Botswanas ab. Jahr für Jahr zieht es tausende Zebras zu Beginn der Regenzeit von den Flusslandschaften des Okavango-Deltas zu den Salzpfannen der Kalahari. Denn zwischen Dezember und April verwandelt sich die sonst karge Landschaft in endloses Weideland und in den normalerweise ausgetrockneten Salzpfannen schimmert blaues Nass. Dieser faszinierende Wandel der Natur zieht neben riesigen Zebraherden, auch zahlreiche Flamingos an und selbstverständlich sind bei einer so großen Zahl an Huftieren, auch die Raubkatzen nicht weit.
Die zuvor verteilten Zebragruppen schließen sich auf ihrer Reise zu imposanten Herden zusammen und bewegen sich wie eine lebende Welle durch die Landschaft. Sie bahnen sich einen Weg durch die trockenen Pisten und schreiten, von einer riesigen Staubwolke verfolgt, voran zu ihrem grünen Paradies, das üppige Grün ein Festmahl für die Herden.
Der etwa 480 Kilometer lange Rundweg der Zebras hat seinen Anfang im Okavango-Delta und Chobe-Nationalpark, von wo die Tiere ihren Instinkten in Richtung Süden zu den Makgadikgadi-Salzpfannen folgen. Auf ihrer Heimreise halten sie sich schließlich an den Boteti-Fluss, welcher sie zurück in Richtung Delta begleiten wird, wo sie bereits wieder von saftigem Gras begrüßt werden. Forscher haben hierbei herausgefunden, dass die Tiere erstaunlicherweise denselben Routen folgen, wie ihre Vorfahren bereits Jahrzehnte zuvor, obwohl zwischen 1968 und 2004 eine Wanderung aufgrund von Zäunen rund um die Naturschutzgebiete nicht möglich gewesen war – somit hat keines der heutigen Zebras noch Erinnerungen an diese ursprünglichen Routen und findet dennoch instinktiv zurück zu diesen Wegen. Beeindruckend!
Zwergflamingos auf der Suche nach dem perfekten Partner
Innerhalb des großen Grabenbruchs im östlichen Afrika befinden sich zahlreiche Seen, welche eine solch hohe Salzkonzentration aufweisen, dass kaum ein Lebewesen darin überleben kann. Umso beeindruckender ist daher der Anblick der vielen pinkgefiederten Flamingos, welche sich nach den heftigen Regengüssen im April dort versammeln. Teilweise reisen die Tiere hunderte Kilometer an, um sich an Seen, wie dem Natron- oder Nakurusee, zusammenzufinden.
Durch Verdunstung entstandene Salzschollen treiben langsam zur Mitte der Seen und bilden dort kleine Inseln, welche das perfekte Refugium vor Fressfeinden darstellen. Für die Zwergflamingos perfekt, um sich fortzupflanzen und die nächste Generation aufzuziehen. Denn im Gegensatz zu ihren Feinden sind die Vögel perfekt an die hohen Temperaturen und extreme Salzkonzentration angepasst.
Etwa 1,5 bis 2 Millionen der rosafarbenen Vögel erreichen das Rift Valley, welches sich durch Tansania, Kenia, Äthiopien bis zum Roten Meer zieht. Für den perfekten Brutplatz der Nachkommen mit ausreichend Nahrung, Salzschollen, der idealen Temperatur und einer hohen Anzahl an brutbereiten Paaren fliegen die Flamingos mehrere Seen an und leben daher stets nomadisch. Zudem kann dadurch die Brutzeit über das Jahr hinweg und je nach Region variieren, wobei ein Bruthöhepunkt am Natronsee im Oktober und Dezember wahrscheinlich ist. Im Etosha-Nationalpark in Namibia, wo ein ähnliches Spektakel stattfindet, finden sich die Zwergflamingos dagegen eher zwischen Mai und Juli ein. Nach circa 30 Tagen schlüpfen dann schließlich die Küken und innerhalb weniger Tage sind die Seen erfüllt von tausenden quietschenden Neugeborenen.
Die stumme Wanderung der Meeresriesen
Vom Land und der Luft tauchen wir ein in die kalten Gewässer vor der Küste von Hermanus in Südafrika, welches jedes Jahr aufs Neue majestätische Besucher empfängt. Die vergleichsweisen wärmeren Gewässer an der südafrikanischen Küste sind eine willkommene Abwechslung zum Antarktischen Ozean und somit ein bedeutender Geburtsort für die Kälber der Glattwale. Die geschützten Buchten bieten den idealen Rahmen für erste Schwimmstunden der Jungtiere, während die Mütter sanft an ihrer Seite kreisen. Die Glattwal-Mütter zeigen dabei eine rührende Fürsorglichkeit und schaffen eine Atmosphäre, die tief ergreifend ist.
Besonders die Regionen von Hermanus und Plettenberg sind berühmt für die zahlreichen Walsichtungen zwischen Juni und November. Besucher können zu dieser Zeit von Aussichtspunkten den Ozean nach seinen Riesen absuchen. Spätestens nach einem kräftigen Schwanzschlag oder dem charakteristischen Pusten, hat man sie schließlich entdeckt.
Die südlichen Glattwale sind trotz ihrer Größe sehr verspielt und berühmt für die atemberaubenden Sprünge aus dem Wasser hinaus. Besonders neugierige Tiere stupsen auch mal gerne ein Boot spielerisch an. Bei einer Größe zwischen 11 bis 18 Metern, wahrlich eine wackelige Angelegenheit für Bootsausflügler und Kajakfahrer. Bei den beliebten Bootstouren ist es auch wichtig zu betonen, dass der Schutz dieser erstaunlichen Tiere oberste Priorität hat, sodass sich die Wale nicht gestört fühlen.
In den Sommermonaten der südlichen Hemisphäre verlassen die Südkaper schließlich die flacheren Gewässer und schwimmen zurück aufs offene Meer, wo sie mehr Nahrung finden.
Das untrennbare Gleichgewicht zwischen Tieren und ihrem Ökosystem
Diese beeindruckenden Tierreisen entlang des Kontinents, sei es die große Gnu-Migration, die Zebrawanderung oder die majestätische Reise der Glattwale, spiegeln nicht nur die unglaubliche Anpassungsfähigkeit der Tierwelt an ihre Umgebung wider, sondern auch die untrennbare Verbindung zwischen den Tieren und ihren Ökosystemen. Sie sind nicht nur spektakuläre Schauspiele für Beobachter, sondern tragen auch entscheidend zum ökologischen Gleichgewicht bei. Und daher liegt es in der Verantwortung eines jeden Einzelnen, diese Migrationen zu schützen, damit auch noch viele kommende Generationen die Wunder der afrikanischen Tierwelt bestaunen können.
- von Anna-Lena Steinhage
Sie möchten die Tiere auf ihren großen Wanderungen selbst besuchen? Gerne organisieren wir Ihre Reise in die Weiten der Savannen oder zu den felsigen Küsten Südafrikas!
Titelbild: David Heidler
